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Autobiographische Schriften

Unter dieser Rubrik werden autobiografische Texte veröffentlicht, die meinen naturkundlichen Werdegang beschreiben. Mein Leben und Werk sind nicht mehr und nicht weniger bedeutend als die eines jeden anderen Menschen auf dieser Erde. Ich bin allerdings genauso wie viele andere der Meinung, dass es gut und ratsam ist, seine Lebensumstände zu beschreiben und über eigene Erlebnisse, Begegnungen, Erfolge, Misserfolge, Sternstunden, Tiefpunkte etc. nachzudenken, um sich selbst ein besseres Bild von der eigenen Existenz machen zu können und dadurch seinen Platz in der Welt deutlicher zu erkennen.

1.
In den Wintermonaten 1993/94 startete ich meine ersten eigenständigen Naturforschungen. Konkret begann ich, die Moosflora rund um Hude, einem Dorf zwischen Oldenburg und Bremen gelegen, zu untersuchen. In Oldenburg, wo ich Biologie und Chemie studiert hatte, schloss ich mich einer Arbeitsgruppe an, die sich die Erforschung der Moosflora im Weser-Ems-Gebiet zur Aufgabe gemacht hatte.  Angeleitet wurde die Arbeitsgruppe von drei Studenten: Thomas, Lutz und Uwe kannten sich mit der Artengruppe der Moose und der Bestimmung hunderter Arten damals schon sehr gut aus und waren Willens, ihr Können an jüngere Studenten weiterzugeben. Sie veranstalteten Bestimmungsübungen und Exkursionen, bei denen man sehr viel voneinander lernen konnte. Wohlgemerkt handelte es sich dabei nicht um offizielle Lehrveranstaltungen und es gab auch keine Scheine und Punkte. Wir beschäftigten uns mit den Moosen, weil uns die Artengruppe interessierte und weil das gemeinsame Lernen und Forschen spannend war, wir Spaß hatten, es uns Freude bereitete.
Thomas lebt nach wie vor in der Nähe von Oldenburg. Er arbeitet als Biologe, Stadt- und Regionalplaner und beschäftigt sich auch heute noch intensiv mit den Moosen, außerdem mit Flechten und Pilzen. Seine Arbeiten zur Moosflora des Weser-Ems-Gebietes werden immer, solange es die Naturkunde gibt, für diejenigen, die sich mit regionaler Naturforschung und Naturschutz in diesen Zusammenhängen beschäftigen, von Bedeutung sein.
Lutz ist Professor an der Universität Karlstad in Schweden. Er erforscht dort u.a. Veränderungen der Pflanzenwelt durch den Klimawandel sowie sich dadurch verändernde Landnutzungen.  
Mit Uwe, der sehr früh verstorben ist, verband mich noch lange nach unserer gemeinsamen Zeit in Oldenburg und nachdem ich wieder in südlicheren Gefilden weilte, eine enge Freundschaft, bereichert durch verschiedene naturkundliche Tätigkeiten in Nord- und Südwestdeutschland. Wir arbeiteten beide in Planungsbüros und regelmäßig verabredeten wir uns in den Ferien zu gemeinsamen Kartierprojekten. So erforschten wir z.B. die Moos- und Flechtenvegetation der Insel Spiekeroog genauso wie die der Streuobstwiesen im südlichen Pfälzerwald bei Eußerthal. Thomas schloss sich uns zu bryologischen Forschungen auf Spiekeroog an und gemeinsam mit ihm und mit Marie-Luise, einer befreundeten Flechtenkundlerin aus Darmstadt, untersuchten wir Krypotgamen im Grenzgebiet des deutsch-französischen Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. Unser Anspruch war es selbstverständlich, die Ergebnisse unserer Forschungen zu veröffentlichen und somit unsere Erkenntnisse dauerhaft einem größeren Kreis an Naturkundlern zur Verfügung zu stellen. Dass es in Deutschland zahlreiche regionale naturkundliche Zeitschriften gibt, ist großartig! Meine Arbeiten zur norddeutschen Moosflora veröffentlichte ich in der DROSERA. Hier bin ich dem damaligen Schriftleiter Volker Häseler zu Dank verpflichtet. Über die Moose im Pfälzerwald berichteten wir in den Mitteilungen der POLLICHIA. Schriftleiter des wissenschaftlichen Jahrbuches war Karl Stapf, dem ich ebenfalls für seine Unterstützung posthum danke. Die Kollegen waren sehr engagierte Schriftleiter, die den jungen Autoren nicht nur ihre Manuskripte gründlich lektorierten, sondern mit ihnen auch Inhalte diskutierten und die mir jedenfalls sehr gute Tipps gaben und mich motivierten, weiter auf dem Gebiet tätig zu sein.

Literatur:
RÖLLER, O. (1994): Neue und interessante Moosfunde von der Klosterruine Hude (Oldenburg, Nordwestniedersachsen). Bryo. Rundbr. 19: 5-6.
RÖLLER, O. (1995): Die Moosflora der Alt-Gemeinde Hude. Drosera 95/2. Oldenburg.
RÖLLER, O. & DE BRUYN, U. (1997): Streuobstwiesen in der Gemarkung Eußertal (südlicher Pfälzer Wald) - wertvolle Lebensräume für epiphytische Moos- und Flechtenarten. - Pfälzer Heimat 48 (4): 117-121. Speyer.
DE BRRUYN, U., HOMANN, M-L., HOMM, T. & RÖLLER, O. (1999): Bryologische und Lichenologische Untersuchungen im Lautertal (Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen). - Mitt. POLLICHIA, 86: 67-87. Bad Dürkheim.
RÖLLER, O. (1999): Die Moosflora der ostfriesischen Insel Spiekeroog. Drosera 99/1. Oldenburg.

2.
Mein Werdegang als Naturkundler wurde wohl mehr unabsichtlich von meiner ein Jahr älteren Schwester Andrea mitgeprägt. Sie hatte Anfang der 1990er Jahre Landespflege studiert und war danach u.a. in der Naturschutzgebietsbetreuung im Landkreis Südliche Weinstraße tätig. Im gleichen Zeitraum gründete Andrea zusammen mit Bernhard, ihrem Partner , den Galloway-Zuchtbetrieb „Am Adelberg“.
Nach meinem Studium beteiligte ich mich an der Naturschutzgebietsbetreuung im Auftrag der Oberen Naturschutzbehörde, bevor ich dann 2001 in die Naturschutzverbandsarbeit wechselte.
Die Beschäftigung mit Naturschutz und Weideland, die ihren Anfang in dieser Zeit nahm, lässt mich seither nicht mehr los. Neben der Moosforschung ist die Kulturlandschaftsentwicklung, speziell die Entwicklung von Weidelandschaften, einer meiner Interessensschwerpunkte bis in die Gegenwart. Auf dem Weideland der Galloways und den dazugehörigen Wiesen im südlichen Pfälzerwald, rund um die Ortschaft Wernersberg, entstand dann auch die erste größere vegetationskundliche Arbeit -zugleich meine Examensarbeit, veröffentlicht zusammen mit Cord, Dozent an der Universität Oldenburg, der mir als noch jungem unerfahrenem Botaniker wertvolle Tipps gab. Die Feldmerkmale bestimmter Pflanzen, die er mir im Gelände zeigte und die helfen, die Arten zu jeder Jahreszeit zu erkennen, habe ich bis heute nicht vergessen.  
Die Einsicht, dass Naturschutz in offenen Kulturlandschaften großflächig nur in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft möglich ist, reifte nicht nur bei mir in dieser Zeit. Pflege durch Nutzung war der Slogan, der damals im Naturschutz aufkam. Dass das am ehesten funktioniert, wenn es ökologisch wirtschaftende Betriebe in der jeweilen Region gibt, die mit dem Naturschutz (Behörden, Verbände, Bürger) zusammenarbeiten, liegt auf der Hand. Öko-Landwirte gab es allerdings in den 1990er-Jahren noch deutlich weniger als heute. In Grenzertragsregionen wie dem Pfälzerwald gab es sie allemal kaum, denn hier hatte sich die Landwirtschaft längst großflächig zurückgezogen. Hier und da entstanden die ersten Öko-Betriebe erst wieder neu, darunter solche, die ausschließlich Robustrinder wie Galloways oder Highlands hielten. So auch der Betrieb meiner Schwester.
Unsere ersten Beweidungsprojekte im Pfälzerwald, bei denen es darum ging, landschaftsplanerisch die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Weidetierhalter brachgefallene Wiesentäler wieder in Nutzung nahmen, führten wir Ende der 1990er-Jahre durch. Dies war  im Birnbachtal bei Leinsweiler, zusammen mit der Naturschutzbehörde im Landkreis Südliche Weinstraße, namentlich Rüdiger Schickel und im Leinbachtal bei Waldleiningen, zusammen mit dem Biosphärenreservat Pfälzerwald, namentlich Helmut Schuler. Mit Rüdiger und Helmut kam ich bis in die Gegenwart immer wieder zu interessanten Begegnungen und zielführenden Diskussionen rund um das Thema zusammen.
In meiner Zeit im Verbandsnaturschutz folgten weitere Beweidungs-Projekte, u.a. initiierten wir die Beweidung von Weinberghängen mit Island-Pferden. (…)

Litertur:
RÖLLER, O. & PEPPLER-LISBACH C. (1998): Vegetationsentwicklung auf ehemaligen Ackerbrachen in der Gemarkung Wernersberg (Lkrs. Südliche Weinstraße). Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz Bd. 8, Heft 4: 1235-1276. Landau.
RÖLLER, O. & SCHULER H. (1998): Pflege von Magergrünland mit Galloway-Rindern im Naturpark-Pfälzerwald. Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz Bd. 8, Heft 4: 1277-1290. Landau.
RÖLLER, O. & RÖLLER-BURKARD A. (1998): Vegetationsentwicklung auf extensiv beweideten Ackerbrachen im Pfälzerwald im Zeitraum 1993-1997. Deutsches Galloway-Journal 7: 67-74. Cloppenburg.
RÖLLER O. & DEIN A. (2000): Robustrinder als Landschaftspfleger im Leinbachtal (Biosphärenreservat Pfälzerwald). Heimat-Jahrbuch des Landkreises Kaiserslautern. S. 22-27. Ottersbach.
RÖLLER-BURKARD A. & RÖLLER O. (2000): Zur Frage des Marktwertes und der Vermarktungsmöglichkeiten extensiv genutzter Kulturlandschaften. Deutsches Galloway-Journal 9: 89-91. Cloppenburg.
Röller, O. (2002): Kulturlandschaftspflege und extensive Landbewirtschaftung auf Grenzertragsstandorten im Biosphärenreservat Pfälzerwald - Probleme und Ansprüche bei der Umsetzung von Naturschutzstrategien. Ein Praxisbericht. - Pfälzer Heimat 53/1: 1-9.
Röller, O. (2004): Island-Pferde pflegen Naturschutzflächen der POLLICHIA in Siebeldingen. POLLICHIA-Kurier 20/3: 34-35.

3.

Die Mitgliedschaft in der POLLICHIA verdanke ich meiner Schwester Andrea. Sie schenkte mir irgendwann in den frühen 1990er-Jahren eine Jahresmitgliedschaft. Sie selbst war zu dieser Zeit dem Verein bereits beigetreten, obgleich die Organisation in unseren Kreisen als wenig attraktiv, überaltert und nicht gerade volksnah galt. Für den Verein sprach jedoch, dass es engagierte Naturschützer darin gab und außerdem viele Fachpublikationen seit der Gründung 1840 erschienen waren. Einer von den wenigen jungen Aktiven war damals Heiko Himmler, der mich einige Jahre später informierte, als die Stelle eines Geschäftsführers ausgeschrieben wurde. Im Jahr 2000 trat ich diese an und blieb bis 2015. Heiko, einer der versiertesten Umweltplaner, die ich kenne, war in der ganzen Zeit, neben seiner beruflichen Tätigkeit, Schriftleiter der vierteljährlich erscheinenden Vereinszeitschrift POLLICHIA-Kurier, in der ich 20 Jahre lang vorzugsweise publizierte. Er schreibt auch selbst regelmäßig sehr gehaltvolle Aufsätze für die Zeitschrift, die vor allem durch ihn und seine Arbeit hohes Ansehen gewonnen hat!Als ich zur Jahrtausendwende den Job übernahm, besaß die naturkundliche Vereinigung noch keinen Internetauftritt. Diesen zu realisieren war eine meiner ersten Aufgaben, was allerdings auch eine gute Gelegenheit war, die Komplexität der Institution zu begreifen, mit zahlreichen Ortsgruppen in der Pfalz, verschiedenen Arbeitskreisen sowie den unterschiedlichen Gremienzugehörigkeiten.Ich habe dann 15 Jahren lang versucht, die altehrwürdige Institution, aufbauend auf ihren traditionellen Stärken, zu modernisieren und fit für die Zukunft zu machen.Konflikte oder Kompetenzgerangel war von Anfang an bei der POLLICHIA an der Tagesordnung. Als junger Geschäftsführer traf ich hier auf eine ausgeprägte konservative, akademische Gelehrsamkeit, vorgetragen von jedem, der sich dazu berufen fühlte und nicht selten mit erhobenem Zeigefinger!Warum mir dies wenig ausmachte und ich meinen Weg, gemäß meiner Überzeugungen, unbeirrt verfolgte, kann ich zumindest teilweise erklären: Ich hatte einen guten Draht und ein von Respekt geprägtes, gutes Verhältnis zu dem ehemaligen Vereinsvorsitzenden Günter Preuß und das stärkte mein Selbstbewusstsein. Preuß hatte ab den frühen 1960er-Jahren für den Verein sehr viel geleistet und ihn von 1971 bis 1995 geleitet. Von Berufswegen war er Professor an der Pädagogischen Hochschule in Landau, wo er in den 70er- und 80er-Jahren viele junge Studenten für den Naturschutz und die regionale Naturforschung gewann. Er war allerdings auch einer von denen, die gemeinhin für ihr Tun gleichermaßen geachtet und missachtet wurden, wie sich mir schnell zeigte. Viele Menschen, mit denen ich in der Institution POLLICHIA und in deren Umfeld sprach, kamen irgendwann auf ihn zu sprechen, entweder im Positiven oder im Negativen. So hatte ich über mehrere Jahre gleichzeitig beide Ansichten: ich konnte einerseits sehen und verstehen, wie Preuß die Spielregeln machte und den Verein dorthin lenkte, wo er seines Erachtens hingehörte und ich konnte andererseits sehen, wie infolgedessen sich die Lager gebildet hatten, aus denjenigen, die seine Gefolgsleute waren und seine Leistungen würdigten, durchaus auch davon profitierten, und denjenigen, die aus den verschiedensten Gründen der Person kritisch bis ablehnend gegenüberstanden. Letzteres, wenig verwunderlich, beruhte oft auf Gegenseitigkeit. Dadurch kam ich zu der Einsicht, dass es mir nicht anders ergehen werde in diesem „Club“, wenn ich meine Aufgabe dort gut machen würde.Legitimiert wurden meine Arbeitsweise von Anfang an durch die Zustimmung des mir immer wohlgesonnenen Präsidiums des Vereins. Dieses Gremium, unter dem Vorsitz von Eckhard Friedrich und danach unter Hans-Wolfgang Helb, hatte mich zur Unterstützung der Vereinsarbeit angestellt. Dieser Beschäftigung bin ich 15 Jahre lang mit großer Motivation nachgegangen. Gemeinsam haben wir in der Zeit meines Erachtens viel für die Organisation erreicht.  Über die POLLICHIA, eine wie ich nach wie vor finde, sehr interessante Institution, wird in dem 2015 erschienenen Jubiläumsbuch zum 175. Geburtstag des Vereins ausführlich berichtet.

 

Literatur:

Geiger, M. & H.W. Helb (Hrsg.) (2015): Naturforschung, Naturschutz und Umweltbildung – 175 Jahre POLLICHIA.

Röller, O. (2018): Von der klassischen naturforschenden Gesellschaft zum landesweit anerkannten Naturschutzverband. Erinnerung an die Verdienste von Prof. Dr. Günter Preuß um die POLLICHIA. POLLICHIA-Kurier 34/2, 4-6.

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